Feine Brause, Heft 02/2008

Die goldenen Zeiten des Historienromans sind vorbei. Dennoch wagt sich das Kleine Theater Hall in seiner aktuellen Inszenierung „Malfälscher-Holzdiebstahl am Kocher“ an das Genre heran und kommt zu einem respektablen Ergebnis.

Obwohl der Untertitel es vermuten lässt und auch mancher Pressebericht in diese Kerbe schlägt: Nein, ein packender Krimi ist es nicht. Wer mit einer entsprechenden Erwartungshaltung ins Theater geht, wird es wohl nicht vollauf befriedigt verlassen. Die Geschichte des Bauern Jakob, der, man weiß nicht ob durch der Menschen oder des Teufels Hand, ums Leben kommt, dient vornehmlich als Gerüst für eine szenische Sozialstudie und wäre ohnehin zu mager, um als Selbstzweck zu bestehen.

Die Geschichte führt in die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg, zu den kleinen Leuten, dem Landvolk, den Holzbauern am Kocher. Das Leben ist hart und entbehrungsreich. Per Hand und mit der Ochsen Kraft wird der Wald bewirtschaftet, in dem das Holz geschlagen wird, welches die Haller Sieder als Brennstoff benötigen.

 

Jakob ist Waldbauer in einem namenlosen Dorf am Kocher. Als er unter mysteriösen Umständen stirbt, hinterlässt er neben Frau und Kind vor allem offene Fragen. Nicht nur seine Familie, auch das Gesinde und die kräuterkundige Alte des Dorfes reflektieren Jakobs Tod in lebhaften, erzählerischen Monologen, in die sie, fast nebenbei, Berichte über ihre Zeit, ihre Geisteshaltung und ihre Ängste einflechten. Das Stück schafft es, eine dichte Atmosphäre aufzubauen und lebt von der gelungenen Kombination dieser spürbaren Elemente mit den Texten, die so elegant ineinander gemischt sind, dass sie der Zuschauer oft kaum zu trennen vermag.

Dass sich Autor und Regisseur Peter Hauser durch eine Diplomarbeit zu seinem Stück inspirieren ließ, kann die Inszenierung letztendlich nicht verleugnen. Der Stil seiner Arbeit ist oft sehr direkt und fast völlig abstraktionsfrei. Umso lobenswerter erscheint es, dass dem Betrachter zu keinem Zeitpunkt das Wort „volkstümlich“ durch den Kopf schießt.

Die fünf Darsteller leisten allesamt solide Arbeit, die klar im oberen Qualitätsbereich des Amateurtheater anzusiedeln ist. Die zwölfjährige Mira Scherrer kämpft sich tapfer durch ihre kleinen Textunsicherheiten und trifft an den entscheidenden Stellen voll ins Schwarze. Beate Meier-Lang, in der Rolle der Witwe beweist sich als ambitionierte Darstellerin auf dem schmalen Grat zwischen Trauer und Resignation. Auch Elke Feucht und Rainer Möck zeigen ihre gewohnte Qualität, die sie zuletzt in Turrinis „Josef und Maria“ unter Beweis gestellt haben. Das größte Lob gebührt aber zweifelsohne Hanna Feucht, die die Magd Traude gibt. Scheinbar mit Leichtigkeit gelingt es der 22-jährigen voll in ihre Rolle einzutauchen und sich dem Publikum als leibhaftige Person ihrer Zeit zu präsentieren. Hanna Feuchts Spielart wirkt, was die Gestik, aber mehr noch was die Sprache angeht, gänzlich ungekünstelt und beeindruckend lebendig. Mit ihrem wichtigsten Monolog, im dem sie den Anblick des sterbenden Bauern beschreibt, schafft sie es, den Zuschauern reihenweise eine Gänsehaut über den Rücken zu jagen.

Das Kleine Theater Hall präsentiert mit „Malfälscher“ ein grundsolides Stück in guter Ausführung und zeigt aufs Neue, was es wirklich kann: Intelligentes Schauspiel ohne bildungsbürgerliche Allüren. Die Leistung, dem gewählten Thema wederreißerisch noch oberlehrerhaft daher zu kommen, verdient Respekt.

                                                                                                                                                                                                                                                                           von Jan Wiechert

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