Publikum schaut durch ein Schlüsselloch

Das Kleine Theater Hall unterhält die Zuschauer in  LAZY SUNDAY  mit Streitigkeiten und Empathie.

Der Anfang von „Lazy Sunday“ im Alten Schlachthaus in Hall ist nichts für zarte Seelen. Franz, Roxy, Richi, Anni, Rosa, Pia und Lydia zoffen sich, wo es nur geht. Sie sind Mitbewohner einer Mehrgenerationen-WG. Sieben Charaktere, die nicht nur zusammen wohnen, sondern auch zusammen proben. Wofür? Das wird dem Zuschauer nicht ganz klar. Sie wollen Musik machen. Absolut laienhaft und ohne Plan. Und dabei krachen sie immer wieder aneinander. Versucht man zu verstehen, worum sich der Streit dreht, merkt man: Das ist nicht wichtig. Es geht um Individuen. Die wie eine alte Jungfer anmutende Lydia (Beate Meier-Lang) lässt ihre Wut raus: Ihr Sohn ist weg, in China mit seiner Frau. Kein Kontakt. Ihren Enkel wird sie nie sehen. Rosa (Sue Gallinat), in Tupfenkleid und mit Hornbrille, gibt zu, dass sie in die WG gezogen ist, weil sie Geld sparen muss. Roxy (Judith Feucht), geladen wie Dynamit, muss 300 Sozialstunden ableisten wegen Körperverletzung. Richard (Rainer Möck) ist ein grauer Steuerberater, verrät nichts, aber rechtfertigt sich ständig, niemandem Geld abgeknöpft zu haben.

Die Mitbewohner versuchen es mit dem einen oder anderen Musikstück. Die eher Konservativen der Truppe verlangen nach einem Plan. Der über den Dingen schwebende Franz (Guido Heidrich) strebt nach Freiheit, nach Improvisation.

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Foto: Sonja Alexa Schmitz

Die Mitbewohner und Streithähne Roxy (Judith Feucht), Lydia (Beate Meier-Lang), Franz (Guido Heidrich), Pia (Katrin Buske), Anni (Elke Feucht), Richi (Rainer Möck) und Rosa (Sue Gallinat, von links) finden in einem melancholischen Schlusslied zusammen.                                                                  

Rollen selbst geschrieben

Die Darsteller stehen nicht selten mit dem Rücken zu den Zuschauern. Kein Blick geht in Richtung der prallgefüllten Sitzreihen. Bis zu dem Moment, in dem sie ihren echten Auftritt haben. Sie drehen sich um und drapieren sich um die harmoniesüchtige Bayerin Anni. Und dann legen sie los. Improvisiert hämmert, zupft und trommelt jeder auf seinem Instrument. Pia (Katrin Buske) tritt ans Mikro und offenbart ihre Traurigkeit: Auf eine Spaghetti-Arrabiata-verschmierten Serviette schrieb ihr Sohn: „Tschüss“ – und war weg. Und schließlich sind die so unterschiedlichen Menschen verbunden, durch die Musik und durch die Empathie zueinander. Die Rollen hat sich jede und jeder selbst geschrieben, erklärt der Regisseur Peter Hauser nach dem Stück, das begeistert beklatscht wird. Das Thema suchten sie gemeinsam aus, weil Mehrgenerationenwohnen im Kommen ist, auch in Hall. Und Musik sollte dabei sein. An die haben sich die Schauspieler mutig, auch als Solosängerinnen, herangewagt.

Sonja Alexa Schmitz im Haller Tagblatt vom 27.11.2018